Rauchen war lange Zeit männlich. Es galt als unschick, wenn Damen zur Zigarette griffen. Erst mit der Generation jener um 1940 geborenen Frauen wurde das Laster auch in der weiblichen Bevölkerung gesellschaftsfähig. Ein für die Gesundheit der Frauen sehr unglücklicher Wandel, wie sich jetzt offenbart.
Gerade erst berichtete der SPIEGEL über Auswertungen des Berliner Demografen Rembrandt Scholz, nach denen westdeutsche Alt-68erinnen unter anderem wegen des Rauchens früher sterben als gleich alte ostdeutsche Frauen. Jetzt offenbart eine britische Studie das Ausmaß der dramatischen Gesundheitsgefahren: Raucherinnen verlieren statistisch mindestens zehn Lebensjahre. Positiv gedreht hat die Nachricht aber eine andere Lesart: Hören Frauen noch vor dem 40. Geburtstag mit dem Rauchen auf, können sie Krankheitsrisiken noch deutlich mindern. Das berichten die Wissenschaftler um Kirstin Pirie und Richard Peto von der University of Oxford im Fachmagazin "Lancet", nachdem sie die Daten von mehr als einer Million Britinnen ausgewertet haben.
Demnach sinkt das Risiko, an den Folgen des Rauchens früher zu sterben, um mindestens 90 Prozent, wenn eine Frau vor dem 40. Geburtstag zur Nichtraucherin wird. Gar um mindestens 97 Prozent kann eine Raucherin ihr erhöhtes Sterbensrisiko drücken, wenn sie schon vor dem 30. Geburtstag ihr Laster aufgibt. Hat eine Frauen jemals im Leben geraucht, sinkt ihr Risiko nie mehr auf das konsequenter Nichtraucherinnen ab. Wer allerdings über den 40. Geburtstag hinaus raucht, dessen Risiko für durch den Tabakmissbrauch ausgelöste Krankheiten verzehnfacht sich. Statistisch betrachtet bedeutet das: Mehr als die Hälfte der Raucherinnen (53 Prozent) erlebt ihren 80. Geburtstag nicht - drei von vier Nichtraucherinnen (78 Prozent) können ihn feiern.
Auch Männer gewinnen vor der Midlife-Crisis Lebensjahre dazu
Die Wissenschaftler sind überrascht: Sowohl die negativen Folgen des Rauchens, als auch die positiven Folgen bei Frauen, die zu Nichtraucherinnen werden, sind größer, als die Forscher nach früheren Studien erwartet hatten. "Ob Mann oder Frau, wer vor der Lebensmitte das Rauchen aufgibt, gewinnt im Schnitt zehn Lebensjahre dazu", sagt Studienautor Richard Peto.
Zwischen 1996 und 2001 fragten die britischen Wissenschaftler 1,3 Millionen Frauen zwischen 50 und 65 Jahren, die zur Krebsfrüherkennung kamen, ob sie bei der Studie über das Rauchen mitmachen würden. Die Teilnehmerinnen füllten Fragebögen aus und wurden mindestens drei Jahre später erneut befragt. Im britischen Gesundheitswesen konnte für alle Teilnehmerinnen zuverlässig verfolgt werden, welche Frauen im Verlauf der Studie starben - und was ihre Todesursache war. Im Schnitt wurden die Probandinnen zwölf Jahre lang von den Forschern beobachtet.
Zu Studienbeginn rauchte ein Fünftel der Frauen, 28 Prozent waren ehemalige Raucherinnen und gut die Hälfte hatte noch nie zur Zigarette gegriffen. Bei Frauen, die mindestens drei Jahre nach Studienbeginn noch rauchten, war das Risiko nahezu dreifach erhöht, in den kommenden neun Jahren zu sterben. Das bedeutet, so die Forscher, dass zwei Drittel aller Todesfälle unter Raucherinnen zwischen dem 50. und dem 80. Geburtstag tatsächlich durch das Rauchen verursacht werden. Denn beim Großteil der verstorbenen Frauen waren Krankheiten für den Tod verantwortlich, bei denen der Zusammenhang mit dem Tabakmissbrauch gut belegt ist: Lungenkrebs, Raucherkrankheiten wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Herzerkrankungen und Schlaganfälle.
Zigaretten mit weniger Teer sind nicht gesünder
Eine Rolle für das erhöhte Krankheitsrisiko spielt auch das Alter, in dem die Frauen zu Raucherinnen wurden: Hatten sie mit 15 begonnen, war ihr Risiko bereits deutlich höher als bei jenen, die nur vier Jahre später zur Zigarette griffen. Am ausgeprägtesten war dieser Effekt bei der Raucherkrankheit schlechthin, dem Lungenkrebs. Auch Frauen, die weniger als zehn Zigaretten täglich rauchten, hatten immer noch ein doppelt so hohes vorzeitiges Sterbensrisiko wie Frauen, die nie geraucht hatten.
Bis zum 21. Jahrhundert mussten die Wissenschaftler warten, um eine solche Studie an Frauen durchführen zu können: "Sowohl in Großbritannien als auch in den USA sind um 1940 geborene Frauen die erste Generation, in der viele erwachsene Frauen eine nennenswerte Zahl an Zigaretten geraucht haben", sagt Peto. "Deshalb können wir erst jetzt die Folgen des Rauchens und des Nichtrauchens auf die vorzeitige Sterblichkeit von Frauen beobachten."
Grundsätzlich halten die Wissenschaftler ihre Ergebnisse auf andere Länder übertragbar, auch wenn sie nur an britischen Frauen erhoben wurden. Zumindest solange in anderen Nationen die untersuchten Folgekrankheiten des Rauchens ähnlich häufig seien wie in Großbritannien.
Eine beliebte Verteidigung vieler Raucherinnen - und Raucher - läuft nach den britischen Ergebnissen ins Leere: Zigaretten mit niedrigerem Teergehalt (weniger als zehn Milligramm Teer pro Zigarette), sind nicht gesünder als solche mit höherem Anteil. Im Durchschnitt rauchten die Studienteilnehmerinnen Zigaretten mit weniger Teer als in früheren Jahrzehnten üblich - trotzdem stirbt mehr als die Hälfte dieser Raucherinnen irgendwann an den Folgen des Rauchens. Es sei denn, sie hören rechtzeitig damit auf.
Quelle: Spiegel.de